Mein großer Bruder war bei der Bundeswehr. Als ich noch ganz klein war. Ziemlich weit oben im Norden. Ich glaube in Puttgarden oder Flens- oder Rendsburg. Rendsburg fände ich besonders schön, weil gleich rechts daneben Osterrönfeld und gleich darunter Westerrönfeld liegt.
Ich stelle mir gerne vor, dass meine Vorfahren aus dieser Gegend kommen. Kann aber auch sein, dass wir aus Rönfeldholz kommen. Das liegt auch oben im Norden, aber doch ganz woanders. Nämlich beim Selenter See. Ich halte das für wahrscheinlicher, weil meine nächste Verwandschaft aus Schönberg kommt, was näher bei Rönfeldholz liegt als bei Oster- und Westerrönfeld. Aber ganz gleich wo nun genau — ich finde es toll, dass es Orte gibt, die wie ich heißen.
Mein Bruder fuhr immer mit seinem Motorrad zur Kaserne. Er hatte von Onkel Emil dessen alte BMW geschenkt bekommen, sagt meine Schwester.
Einmal hätte ich Freitag Abend eigentlich so lange aufbleiben dürfen bis er nach Hause kam. Das war wohl im Herbst. Und es dauerte ewig bis er da war. Weil es plötzlich eklig kalt geworden war und er unterwegs hundert Mal anhalten musste, um seine erfrorenen Finger und Füße ein wenig zu bewegen. Also bin ich dann doch eingeschlafen.
Ich habe es dann natürlich nicht selbst gesehen, aber die Aufregung war groß, weil er – bei uns angekommen – nicht mehr vom Motorrad absteigen konnte. Mein Vater und mein Opa mussten ihn vom Motorrad heben und in der Badewanne auftauen. Die Badewanne meiner Oma, oben im ersten Stock gibt es heute noch.
Am nächsten Tag war er schon fast wieder der Alte und ich habe mich riesig gefreut, dass er noch heil war.